
Juli 2025
Das bestgehütete Geheimnis erfolgreicher Verhandler:innen: Die risikoadjustierte Strategie
von Campbell Graham
Die Frage ist einfach: Berücksichtigen Sie Risiken in Ihren Verhandlungen? Falls ja, sind Sie auf Erfolgskurs. Falls nicht, riskieren Sie ein suboptimales Ergebnis. Campbell Graham stellt das elegante Konzept einer risikoadjustierten Strategie vor und erklärt, warum jede:r professionelle Verhandler:in sie beherrschen sollte.
Vielleicht halten Sie sich für eine:n ziemlich gute:n Verhandler:in.
Jemand, der oder die aus Erfolgen und Fehlern gelernt, die eigenen Fähigkeiten über Jahre hinweg geschärft und sie durch Training und Mentoring professionalisiert hat.
Aber lassen Sie mich Ihnen eine entscheidende Frage stellen: Beziehen Sie Risiken aktiv in Ihre Verhandlungen ein? Und noch wichtiger: Berücksichtigen Sie Risiken als eine der wichtigsten und zugleich am meisten unterschätzten Variablen – in einer Welt, in der Zölle dominieren, sich Handelsmärkte an geopolitische Konflikte anpassen und Führungswechsel die Spielregeln verändern? Denn Fakt ist: Erst wenn Risiken berücksichtigt werden, wird der volle Vertragswert sichtbar.
Behandeln Sie Risiken wirklich, aufrichtig und von ganzem Herzen als Chance zur Wertschöpfung?
Denken Sie einmal über den schönen und aktuellen Begriff „risikoadjustierte Strategie” nach.
Ich mag diesen Begriff. Er ist durchdacht. Ich verstehe die Absicht dahinter – die Worte sind weise. Überträgt man sie in einen geschäftlichen Kontext, speziell in den Bereich von Verhandlungen, empfehle ich dringend, diese Denkweise in die strategischen und taktischen Planungsprozesse jedes:r Verhandler:in einzubeziehen.
Veränderung ist die einzige Konstante. Die Zielvorgaben verschieben sich ständig. Märkte wandeln sich mit hoher Geschwindigkeit und tiefgreifenden Auswirkungen auf geschäftliche Verhandlungen. Wer die damit verbundenen Risiken versteht, kann gezielt risikoadjustiert verhandeln und echte Wettbewerbsvorteile schaffen.
Macht wird durch Zeit und Umstände bestimmt. Zeit ist einer der wichtigsten Hebel, die einem:einer geschickten Verhandler:in zur Verfügung stehen. Angesichts der zunehmenden Dynamik globaler Entwicklungen müssen wir jedoch auch die Bedeutung und Relevanz des Hebels „Umstände“ stärker betonen und die Risikoanpassung ernster nehmen. Theoretisch sitzen beide Parteien „im selben Boot“, da die Abhängigkeit groß ist. Risikoadjustierung ist kein „Nice-to-have“, sondern eine Voraussetzung für belastbare Ergebnisse.
Die Welt erlebt derzeit beispiellose Zeiten. Das hat mich dazu gebracht, über die Notwendigkeit und Bedeutung einer risikoadjustierten Strategie für erfahrene Verhandler:innen nachzudenken – sowohl in ihrer Ausrichtung als auch in der Herangehensweise gegenüber Verhandlungspartner:innen.
Gerade weil die Abhängigkeit zwischen den Parteien oft hoch ist, gilt: Ein Problem auf einer Seite wird schnell zum Problem beider Seiten. Erfolgreiche Verhandler:innen planen daher konsequent „bis zum Ende“. Denn nur wer alle potenziellen Konsequenzen, Hindernisse und unvorhersehbaren Wendungen in die eigene Strategie einbezieht, kann souverän auf verschiedene Szenarien reagieren, statt von Ereignissen überrollt zu werden. Sie gestalten die Zukunft, indem Sie weit vorausdenken. Und wenn Sie vorausdenken, sollten Sie eine risikoadjustierte Strategie haben.
Es gibt eine Reihe von Wörterbuchdefinitionen für den Begriff „Risiko“, die berücksichtigt werden sollten. Risiko ist die Möglichkeit einer Gefahr, eines Schadens oder einer Gefährdung; ein potenzieller Verlust. Risiko bedeutet die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Unsicherheit mit negativen Auswirkungen.
In der Verhandlungspraxis müssen wir sowohl reale als auch wahrgenommene Risiken erkennen, analysieren und berücksichtigen, wer beteiligt ist. Denn Menschen gehen unterschiedlich mit Risiken um – je nachdem, ob sie risikoscheu, risikoneutral oder risikofreudig sind.
Doch auch innerhalb einer Person kann das Verhalten je nach Kontext schwanken. Deshalb müssen wir das menschliche Element mit einbeziehen: Wie hoch ist die individuelle Toleranzschwelle gegenüber Risiken?
Es gibt viele Arten von Risiken. Wir müssen auch Ereignisse einplanen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Dabei sollten wir zwischen Gewissheit und konkreten Auswirkungen auf den Wert unterscheiden – sowie zwischen Unsicherheit, der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und der möglichen Schwere für beide Parteien.
So können wir potenzielle Probleme identifizieren, die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Tragweite der Auswirkungen bewerten und anschließend Maßnahmen zur Prävention, Minderung oder Vermeidung priorisieren. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass Notfallmaßnahmen in unseren Plan integriert sind, sodass wir nicht nur eine Strategie für den Erfolg entwickeln, sondern auch auf mögliche Misserfolge vorbereitet sind.
Das ist robustes Risikomanagement.
Ich habe acht Fragen, die Sie sich stellen sollten, um Ihre Verhandlungsplanung zu verbessern:
1. Was ist das potenzielle Problem?
2. Was kann ich tun, um es zu verhindern?
3. Wie wahrscheinlich ist sein Eintreten?
4. Wie gravierend wären die Auswirkungen?
5. Was ist mein Notfallplan, falls es dennoch passiert?
6. Erfordert das Problem eine Anpassung meiner Strategie?
7. Wer übernimmt intern die Verantwortung?
8. Wie wird das Problem intern und extern kommuniziert?
Diese Fragen helfen dabei, Risiken nicht nur zu erkennen, sondern auch Maßnahmen abzuleiten – von Prävention über Minderung bis hin zur Schadensbegrenzung oder vollständigen Vermeidung. Gleichzeitig ermöglicht ein durchdachter Plan B, auch mit Rückschlägen souverän umzugehen.
Denken Sie proaktiv, nicht reaktiv. Dabei stehen grundsätzlich vier Optionen zur Verfügung:
1. Eliminieren Sie das Risiko, indem Sie die Aktivität einstellen.
2. Transferieren Sie das Risiko auf eine andere Partei.
3. Behandeln Sie das Risiko mit einer geeigneten Strategie.
4. Tolerieren Sie das Risiko, wenn Vorsorgemaßnahmen getroffen oder potenzielle Chancen identifiziert wurden.
Wer Risiken bewusst und frühzeitig bewertet – hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Tragweite –, kann gezielt gegensteuern und die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich steigern.
Denn: Wir wollen Ergebnisse aktiv gestalten, nicht ihnen ausgeliefert sein. Und schon gar nicht rückblickend fragen müssen, was eigentlich passiert ist.
Es ist also ganz einfach: Verfolgen Sie eine risikoadjustierte Strategie. Denn glauben Sie mir: In einer Welt voller Unsicherheiten ist eines sicher – noch mehr Veränderung steht bevor. Wer darauf vorbereitet ist, wird Verhandlungen nicht nur bestehen, sondern aktiv gestalten.
Über den Autor
Campbell Graham ist Principal bei The Gap Partnership und verfügt über umfassende Erfahrung in den Bereichen FMCG, Einzelhandel, Gesundheitswesen, Medien und Gastgewerbe. Seit seinem Eintritt in das Unternehmen im Jahr 2014 hat er starke Partnerschaften auf C-Level in ganz Afrika aufgebaut. Heute arbeitet er vom Büro in Großbritannien aus mit internationalen Kund:innen zusammen, die er in den Bereichen Verhandlungsstrategie, Beratung und Kompetenzentwicklung unterstützt.
Wie The Gap Partnership Ihnen helfen kann
The Gap Partnership ist darauf spezialisiert, Verhandlungen in einen strategischen Wettbewerbsvorteil zu verwandeln. Mit unserem Fachwissen statten wir Ihre Teams mit den nötigen Fähigkeiten und dem passenden Mindset für erfolgreiche Verhandlungen aus, standardisieren Prozesse für nachhaltigen Erfolg und unterstützen Ihre Führungsebene dabei, eine unternehmensweite Verhandlungskultur zu etablieren. Lassen Sie uns gemeinsam Verhandlungskompetenz fest in Ihrer Organisation verankern und so nachhaltiges Wachstum sowie einen entscheidenden Vorsprung in jeder Verhandlung sicherstellen.

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