
Scott Chepow analysiert den rasanten Aufstieg des Omnichannel-Handels: von der E-Commerce-Welle über die veränderte Rolle stationärer Geschäfte bis hin zu den Auswirkungen auf kommerzielle Verhandlungen. In einer zunehmend vernetzten Handelswelt ist die Fähigkeit, kanalübergreifend Wert zu schaffen und diesen effektiv zu verhandeln, zu einer entscheidenden Kompetenz geworden.
Als Mastercard im März 2021 meldete, dass 75 % aller Modekäufe im Vormonat online getätigt wurden, war das ein deutliches Signal. Wer bis dahin noch an der Zukunft des Omnichannel-Handels zweifelte, wurde spätestens durch diese Zahl eines Besseren belehrt: Der Trend ist gekommen, um zu bleiben. Heute zeigen die Zahlen ein stabileres Bild, verdeutlichen aber das anhaltende Wachstum des E-Commerce. Rund 45 % aller Modeartikel werden inzwischen online verkauft – Damenmode ist dabei Marktführer und Wachstumstreiber. (Und wenn ich auf die vielen Pakete blicke, die mit dem Namen meiner Frau an unserer Haustür landen, scheint sie ganz persönlich zu dieser Entwicklung beizutragen.)
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Lebensmittel- und Getränkeunternehmen: Ein Händler verlangte einen prozentualen Aufschlag auf alle Onlineverkäufe. Die Reaktion damals: „Nehmt ihn ruhig – im letzten Jahr haben wir über eure Website nur 18 Einheiten verkauft.“ Damals noch belustigend, heute sicher undenkbar.
E-Commerce ist jedoch nur ein Teil der Omnichannel-Familie. Online Grocery Pickup (OGP), also das Abholen vorbestellter Lebensmittel, wuchs während der Pandemie zeitweise um mehr als 1.000 %. Im Mai fiel der monatliche Umsatz erstmals seit neun Monaten wieder unter 9,5 Mrd. US-Dollar – dennoch bleibt das Jahreswachstum stark.
Auch im stationären Handel war die Entwicklung zuletzt uneinheitlich: Manche Händler:innen meldeten Rekordumsätze, andere mussten schließen. Sicher ist nur: Omnichannel bleibt. Denn Marken und Händler:innen arbeiten gleichermaßen daran, ein nahtloses Einkaufserlebnis zu schaffen, die Beziehung zu Verbraucher:innen zu stärken und so Mehrwert für alle Beteiligten zu steigern.
Wie können wir also gemeinsam mit Verhandlungspartner:innen in der Omnichannel-Welt echten Mehrwert erzielen? Die Antwort: Es kommt darauf an. Entscheidend ist, ob beide Seiten die Fähigkeit und den Willen haben, durch Verhandlungen Wert zu schaffen.
Wenn das gegeben ist, sollten beide Parteien zunächst analysieren, was für die jeweils andere Seite wirklich wertvoll ist – im Rahmen der eigenen Handlungsspielräume. Gleichzeitig gilt es, Konsistenz über alle Kanäle hinweg sicherzustellen: beim Sortiment, bei Promotionen, Preisen, Lieferzeiten – und insbesondere bei der Einhaltung gegebener Zusagen.
Fehlt jedoch einer oder beiden Seiten Fähigkeit oder Wille zur Wertschöpfung, wird die Verhandlung schnell zu einem reinen Ringen um Eigeninteresse – kompetitiv oder gar konfrontativ.
In solchen Fällen sollten sich die Parteien fragen: Wie hoch ist meine Bereitschaft zu Reibung und Konflikt? Was ist meine BATNA, wenn keine Einigung gelingt? Wie kann ich mögliche Schäden an der Beziehung reparieren? Und: Wie beantwortet mein Gegenüber wohl diese Fragen? Denn: Verhandlung findet im Kopf der anderen Seite statt. Wer sich vorbereitet, denkt auch aus deren Perspektive.
In der komplexen Omnichannel-Welt konzentrieren sich strategische Überlegungen letztlich auf drei Fragen:
1. Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen?
2. Welche Ziele verfolgt das Unternehmen meines Verhandlungspartners?
3. Welche Verhandlungsstrategie ist die geeignetste, um den größtmöglichen Wert für unsere Stakeholder zu generieren?
Wer diese Fragen beantworten und seine Strategie daran ausrichten kann, schafft die besten Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg – mit der Einschränkung: Omnichannel zielt immer darauf ab, das Kundenerlebnis zu verbessern.
Über den Autor
Scott Chepow ist Regional Head of Sales & Delivery bei The Gap Partnership in den USA. Dort verantwortet er die Entwicklung und Umsetzung maßgeschneiderter Verhandlungslösungen für Fortune-500-Unternehmen.
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The Gap Partnership ist darauf spezialisiert, Verhandlungen in einen strategischen Wettbewerbsvorteil zu verwandeln. Mit unserem Fachwissen statten wir Ihre Teams mit den nötigen Fähigkeiten und dem passenden Mindset für erfolgreiche Verhandlungen aus, standardisieren Prozesse für nachhaltigen Erfolg und unterstützen Ihre Führungsebene dabei, eine unternehmensweite Verhandlungskultur zu etablieren. Gemeinsam verankern wir Verhandlungskompetenz dauerhaft in Ihrer Organisation – für nachhaltiges Wachstum und einen klaren Vorsprung in jeder Verhandlung.

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