Wertmaximierend Verhandeln in Zeiten von “Social Distancing“
von Lloyd Barrett
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Februar 2020 von Lloyd Barrett
Zurück zu insightsJe näher Sie sich körperlich sind, desto höher der Grad an Zusammenarbeit. Wie also passen Sie sich an diese neue Welt an, in der wir Verhandlungen in sozialer Isolation planen und verhandeln?
In dieser Zeit, wo wir isoliert voneinander („Social Distancing“) in Home Offices arbeiten müssen, ist die Nutzung der modernen Kommunikationsmedien in der Verhandlung nicht nur eine weitere Möglichkeit, sie ist obligatorisch geworden. Besprechungen müssen in Videokonferenzen umgewandelt und persönliche Gespräche durch E-Mails ersetzt werden.
„Social Distancing“ verändert in dieser neuartigen Situation nicht nur die persönlichen Beziehungen zu Geschäftspartnern sondern auch zu Kollegen.
Vergessen wir nicht, dass 90% einer Verhandlung aus der Vorbereitung besteht und in der Regel sind Teamarbeit und enge interne Abstimmungen mit Kollegen und Vorgesetzten nötig. Studien zur Effektivität von Teamarbeit zeigen auf, dass physische Nähe den größten Einflussfaktor für Zusammenarbeit darstellt.
Je physisch näher wir einander sind, desto höher ist der Grad der Zusammenarbeit. Wie also adaptieren wir das in einer Zeit, in der wir Verhandlungen in sozialer Isolation vorbereiten und durchführen?
Die Nutzung bzw. der Mix der Medien (persönlich, per Videokonferenz, Telefon oder E-Mail) für die Verhandlungen hat sich verändert. Die Psychologie, die Taktiken und die Strategien von Verhandlungen sind weitestgehend gleich geblieben und werden genauso angewendet. Allerdings ergeben sich bei der veränderten Nutzung von elektronischen Medien bei Verhandlungen neue Fragestellungen, zu denen es nur unklare und widersprüchliche Antworten gibt.
Vorhandene Studien zur Nutzung von elektronischen Medien bei Verhandlungen befassen sich vorrangig mit den folgenden beiden Themen:
- Effekte der „psycho-emotionalen Nähe“
- Austausch von Informationen
Wenn der bestmögliche Austausch von Informationen in einem persönlichen Treffen – mit direktem Feedback, gesendeten und interpretierbaren Signalen aus Körpersprache und Tonalität – erreicht werden kann, dann ist durch Text und E-Mail nur ein deutlich geringerer Austausch an Informationen möglich.
Verhandlungen persönlich zu führen schafft eine „psycho-emotionale Nähe“: Die persönliche Anwesenheit der anderen Partei erzeugt eine Bestätigung dafür, dass die andere Partei tatsächlich eine Person ist, die Emotionen zeigt und soziale Bedürfnisse verspürt. Es erlaubt ebenfalls eine bessere gegenseitige Wahrnehmung beider Parteien. So können z.B. soziale Signale aufgenommen, beurteilt und das eigene Verhalten in der Verhandlung entsprechend angepasst werden.
Verhandlungen mit elektronischen Medien zu führen nimmt die „psycho-emotionale Nähe“ und kann die andere Partei zu einem „bloßen“ Objekt degradieren. Etliche soziale Signale (z.B. Tonlage, non-verbale Kommunikation) werden ausgeblendet. Das erschwert den Aufbau einer belastbaren Beziehung zur anderen Partei.
Studien haben gezeigt, dass Menschen in einer Verhandlung mit elektronischen Medien aufgrund von fehlenden sozialen Signalen mehr aggressive Verhaltensweisen zeigen.
Mehrdeutige oder fehlende Signale werden in diesem Medium eher als negativ interpretiert und provozieren damit eher negative Antworten und Konflikte.
Bei der Nutzung von E-Mail als Kommunikationsmedium ergeben sich Möglichkeiten, Texte neu zu schreiben und immer wieder zu überarbeiten. Dadurch etabliert und verankert sich die eigene Position im Kopf des Verhandlers, die der Verhandler wie eine Festung verteidigen wird. In der Folge wird er sich schwerer davon lösen, um potentielle Angebotsalternativen unterbreiten zu können. Die fehlende Möglichkeit, alternative Angebote unmittelbar auszutauschen, verstärkt diese Tatsache.
Verhandlungen per E-Mail zu führen kann aber auch dazu führen, dass der Prozess verlangsamt wird und mehrere offene Verhandlungen parallel geführt werden. Durch den längeren Prozess ergeben sich häufig neue Aspekte, die potenziell zur Verlängerung der Verhandlung führen.
Andererseits gibt es auch Vorteile mit elektronischen Medien zu verhandeln. Die fehlenden sozialen Signale, Zeitbeschränkungen und Machtspiele nehmen Druck vom Verhandler. Es erlaubt dem Verhandler Möglichkeiten freier und unbelasteter zu sondieren, Taktiken anzupassen und intern mehr Informationen zu sammeln und somit die nächsten Schritte der Verhandlung verbessert und durchdachter zu planen.
Bei Verhandlungen per E-Mail verringert sich der Zeitdruck und die Verpflichtung sofort Antworten bzw. Lösungen zu präsentieren. Es öffnen sich Zeitfenster, sich mit seinem Team abzustimmen und neue Ideen zu sammeln und somit kreativere Wege zur Wertsteigerung zu finden – vorausgesetzt man beherrscht die Herausforderungen, die sich ergeben, wenn man auch mit seinem eigenen Team nur im „Social Distancing“ kommunizieren kann.
Bei der Wahl bzw. dem Mix der Kommunikationsmedien ist es weiterhin wichtig, die Art der Beziehung zu berücksichtigen: Wenn der Aufbau einer Beziehung wichtig ist und die Verhandlung nicht persönlich geführt werden kann, dann sollten Videokonferenzen genutzt werden. Wenn – wie beim Feilschen – der Aufbau einer Beziehung nicht nötig ist, ist es sicherlich angemessen per E-Mail oder Telefon zu verhandeln. Im Laufe der Verhandlung ist zu überprüfen, wann oder ob es angemessen ist, von der E-Mail zum (Video-) Telefonat oder zurück zu wechseln.
Durch die Einschränkungen auf die zur Verfügung stehenden Medien aufgrund des „Social Distancing“ werden wertschöpfende Verhandlungen erschwert. Die wesentlichen Faktoren sind reduzierte „psycho-emotionale Nähe“ und ein eingeschränkter Austausch von Informationen. Ein kompetenter Verhandler sollte sich der Auswirkungen dieser beiden Faktoren bewusst sein, eine geeignete Wahl des elektronischen Kommunikationsmediums treffen und in der Lage sein, die Vorteile der verschiedenen Medien bestmöglich einzusetzen.
Wenn Sie mehr über dieses Thema erfahren möchten, können Sie den nachstehenden Bericht „virtuelles Verhandeln“ herunterladen.